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SPD SV Lebach 

Mitteilungen

11.03.2010

Die Kommunen liegen auf der Intensivstation

Anna Schmidt

Die Haushaltsrede unserer Fraktionssprecherin im Lebacher Stadtrat, Anna Schmidt, zur Vorlage des Haushaltsplanes 2010 durch die Stadtverwaltung in der Stadtratssitzung am 11. März d.J.

"Der Verfall ihrer finanziellen Basis muss gestoppt werden. Sonst geht die Lebensqualität für die Menschen in den Städten verloren. Die Städte wollen trotz der Krise die elementar wichtigen Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger in guter Qualität sichern, sie wollen etwa die Kinderbetreuung ausbauen, zu guten Schulen beitragen und einen verlässlichen öffentlichen Nahverkehr anbieten. Unser Land kann es sich nicht leisten, dass seine Städte handlungsunfähig werden und die Angebote vor Ort mit dem Rotstift zusammenstreichen müssen.“ so die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Petra Roth (CDU), anlässlich einer Präsidiumssitzung des kommunalen Spitzenverbandes am 24.2.2010.

 

Das Präsidium des Deutschen Städtetages fordert ein Maßnahmenpaket des Bundes und der Länder zur Linderung der dramatischen Finanzkrise der Kommunen, die aus dem ungebremsten Anstieg der Sozialausgaben bei gleichzeitigem Wegbrechen der Einnahmen resultiert.  Die Sozialausgaben haben sich seit den frühen 90er Jahren fast verdoppelt auf voraussichtlich 41,6 Mrd. Euro in diesem Jahr und schnüren so vielen Kommunen die Luft ab (siehe hierzu auch den Anstieg unserer Kreisumlage auf rund 9 Mio. €); politische Entscheidungen auf Bundes- und/oder Landesebene werden ohne Kostenfolgen-abschätzung für die Gemeinden unter Missachtung des Konnexitätsprinzips und ohne kommunale Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren getroffen und engen deren Spielräume weiter ein (siehe hier z.B. die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose oder den Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz).

 

Mit Spannung und Sorge gleichzeitig wird von kommunaler Seite die Einsetzung bzw. Arbeit der neuen Gemeindefinanzkommission beobachtet; ihre Aufgabe ist es, eine Alternative zur Gewerbesteuer zu „erfinden“, die alte Gewerbesteuer soll durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer ersetzt werden. Diese Neuregelung hätte eine Entlastung der Unternehmen und eine Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger zur Folge – also wieder einmal eine Umverteilung zulasten derer, die arbeiten und Steuern zahlen und eigentlich mehr netto vom brutto bekommen sollten. Da es bisher noch niemandem gelungen ist, eine wirklich vernünftige, schwankungsunabhängigere Alternative zur wichtigsten kommunalen Einnahmequelle, der Gewerbesteuer, zu erschaffen, steht zu befürchten, dass diejenigen, die sie schon immer abschaffen wollten, (Hier haben wir in diesem Jahr auf einen einschlägigen Antrag der Lebacher FDP gewartet.) die kommunale Finanzausstattung weiter ruinieren werden; so wird das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die erste steuerpolitische Großtat von Union und FDP die Einnahmen aus der Gewerbesteuer um 1,6  Mrd. reduzieren. Das Saarland wird ersten Schätzungen zufolge mindestens 44 Mio. € weniger zur Verfügung haben; Geld, das an allen Ecken und Enden fehlt. Diese Umverteilungspolitik ruiniert nicht nur die Gestaltungs- und Handlungsspielräume des Staates, sondern trägt zur weiteren Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft bei. Wir erleben in diesem Jahr, dass sowohl der Bund mit seiner Rekord-neuverschuldung von rund 80 Mrd. € als auch das Land mit seiner Neuverschuldung von mehr als 1 Mrd. € als auch die Stadt Lebach mit ihrem Defizit von mehr als 7 Mio. € in 2010 – alle ohne nennenswerte strukturelle Einsparvorschläge – quasi ein letztes Mal -  richtig Geld ausgeben, bevor die ohne Not mit Verfassungs-rang versehene Schuldenbremse zu greifen beginnt und auf allen staatlichen Ebenen die finanziellen Spielräume gegen minus unendlich tendieren. Und dies alles, ohne dass die große Steuerreform,  das Herzstück der schwarz-gelben Koalitionspolitik in Berlin,  wider jeden gesunden Menschenverstand handelnd und nur unter Abschaffung  die Grundrechenarten finanzierbar, ihre zerstörerische Wirkung in den öffentlichen Kassen entfaltet hat.

 

Wir haben alle gewusst, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise ihren Tribut fordern wird, dass es schmerzliche Einnahmeausfälle geben wird. Wir haben aber auch erlebt, dass es kluge Politik durchaus richten kann, gegen die Krise zu arbeiten, indem sie viel Geld in die Hand nimmt und es gezielt dort investiert, wo es dringend gebraucht wird, wo es antizyklisch arbeiten kann und nachhaltige Wirkung entfaltet.

 

In diesen Wochen stattet uns fast wöchentlich ein Vertreter der neuen Landesregierung einen Besuch ab – im Gepäck dicke Schecks mit Geldern aus dem Konjunkturprogramm II zur (energetischen) Sanierung von Bildungseinrichtungen und öffentlichen Gebäuden. Warum waren die Maßnahmen der großen Koalition und auch die unterstützenden Investitionen der saarländischen Landesregierung gute Krisen-Bekämpfungspolitik, die uns auf kommunaler Ebene wirklich geholfen hat? Wir konnten schnell tätig werden, die von erheblichem Sanierungsstau befallenen Gebäude zur Aufnahme in die Konjunkturgramme anmelden, die Aufträge ausschreiben und vergeben und damit Handwerksbetrieben helfen, die Krise zu überstehen. Die Investitionen in Sanierung und Ausbau von vor allem Bildungseinrichtungen haben uns Habenichtse nur 5 von Hundert der Summe gekostet – was wir uns auch noch leisten konnten - und entlasten unsere zukünftigen Haushalte, da wir weniger für Energie ausgeben müssen.

 

Fast ironisch, aber wahr: wie gewonnen, so zerronnen: Wir haben mehr als 2 Mio aus den Konjunkturprogrammen bekommen und erleiden in diesem Jahr – verglichen mit dem Vorjahr – Weniger-einnahmen bei den Schlüsselzuweisungen i.H.v. 1, 8 Mio. (wobei die Auswirkungen des schwarz-gelben „Schuldenbeschleunigungs-gesetzes“ vom 1.1.2010 noch nicht abschließend berücksichtigt sein können) und Mehrausgaben für die Kreisumlage i.H.v. 859 000 €.

 

Belief sich der Fehlbedarf im Ergebnisplan im Vorjahr noch auf rund 4 Mio €, wird er in 2010 auf 7,2 Mio. € steigen. Ende 2010 werden sich alle Schulden auf rund 90 Mio. € belaufen. Im Jahr 2013 wird unser Eigenkapital aufgebraucht sein, d.h., wir werden etwas sein, was es bei Kommunen gar nicht gibt; wir werden bankrott sein. Und dann? Kommt dann aus St. Ingbert ein Sparkommissar, der jede einzelne Ausgabe unter die Lupe nimmt. Problem: Unter einer Lupe werden Euros und Cents zwar größer aber nicht mehr.

 

In dieser Lage hat es uns sehr gewundert, dass die Landesregierung den saarländischen Kommunen die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung bzw. Fortschreibung eines Haushalts-sanierungsplanes eingeräumt hat. Was soll das? Obwohl sowohl der Landes- als auch fast alle kommunalen Haushalte hochgradig defizitär sind, werden keine weiteren strukturellen Einsparungen gefordert. Und so verzichtet auch die Stadt Lebach auf die Ausweisung nachhaltiger Haushaltsverbesserungen i.H.v. rund 250 000 €. Gleichzeitig prognostiziert der Bürgermeister in seinem Vorwort: „Signifikante Einschnitte  bei vielen städtischen Einrichtungen rücken näher. Die Empörung der Bürgerinnen und Bürger wird groß sein“. (Seite 3 des Vorwortes)

 

Allerdings! Da hat er wohl Recht: Nur wird die Empörung im nächsten Jahr kleiner sein, wird sie schrumpfen, wenn man viele Einschnitte auf einmal verkündet? Oder macht es nicht eher Sinn, die Menschen auch in diesem Jahr bereits mit Überlegungen, welche Einschnitte die Verwaltung für unumgänglich hält, zu konfrontieren und damit auf das Kommende einzustellen. Hierzu enthält der Haushalt keinen einzigen Satz.

 

Die SPD-Fraktion fordert den Bürgermeister auf, seine Überlegungen, welche Einschnitte notwendig sein werden, darzulegen. Er stützt sich im Rat auf eine komfortable schwarz-gelbe Mehrheit, welche ihre kreative Fantasie bislang zwar noch nicht irgendwie spürbar entfalten konnte, jetzt jedoch Gelegenheit dazu erhält.

 

Können wir uns z.B. den mehr als 2 Mio. € teuren Umbau des Bitscher Platzes noch erlauben – auch angesichts der Tatsache, dass das Treuhandkonto mit mehr als 3 Mio. € belastet ist und irgendwann zurückgeführt werden muss. Und angesichts der Tatsache, dass es zurzeit keine weiteren Grundstücksverkäufe am Bahnhof mehr gibt, sodass die dortige Entwicklung stagniert. Welche anderen Maßnahmen und Institutionen müssen unter diesen Umständen einer Überprüfung auf ihre Finanzierbarkeit unterzogen werden?

 

Wie kann die Einnahmeseite der Stadt Lebach verbessert werden?

 

Mit den Freunden von der FDP sitzen die mit dem guten Draht in die Wirtschaft auf allen 3 staatlichen Ebenen in der Verantwortung. Auf ihre Initiativen warten wir bislang vergebens.

 

Wie kann man den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass die Ausgestaltung und der Umfang der kommunalen Daseinsvorsorge einer Diskussion unterzogen werden müssen? Diese Auseinander-setzung wird heftig und schmerzhaft.

 

Hoffen wir, dass der erste schmerzliche Rückbau an wichtiger Infrastruktur nicht gerade das Lebacher Krankenhaus betrifft. Die Diskussion um dieses Haus und seine Zukunft hat bei vielen Betroffenheit und auch Trauer ausgelöst; sie konfrontiert die Menschen mit der Erkenntnis, dass unsere hohen Standards nicht in Stein gemeißelt, sondern vom Rückbau bedroht sind.

 

Hätte ich  in letzter Zeit nicht so schlechte Erfahrungen mit Resolutionen gemacht, hätte ich heute wieder eine vorgelegt – und zwar nach dem Muster des Regionalverbandes Saarbrücken – wo sich der Kooperationsrat in  einer gemeinsame Stellungnahme an die Landesregierung wendet, da die Umlage von mittlerweile 212,2 Mio € nicht mehr zu schultern ist. Der einschlägige SZ-Artikel vom 27./28. Februar des Jahres trägt den Titel „Kommunen proben den Aufstand“.

 

Das dürfen sie und das sollen sie auch, denn die kommunale Selbstverwaltung hat Verfassungsrang (Art. 28, Abs. 2 GG). In Artikel 119, Abs. 2, der Verfassung des Saarlandes heißt es:

 

„Das Land gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden durch seine Gesetzgebung eine Finanzausstattung, die ihnen eine angemessene Aufgabenerfüllung ermöglicht. Diesem Zweck dient auch der kommunale Finanzausgleich.“  Können die Gemeinden unter den derzeitigen finanziellen Bedingungen ihre Aufgaben noch erfüllen oder müssen sie eine Verfassungsklage anstrengen?

 

Denn: Nicht nur große Banken, sondern auch die Kommunen sind systemrelevant; wer die Demokratie nicht gefährden will, muss sie lebens- und handlungsfähig erhalten.

 

Anna Schmidt

Dateien:
Haushalt2010_01.pdf (18.4 K)

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